
Imperfektion

Heute quält den Paranoiden die pure Langeweile: keiner da, der ihm nachstellt. Brückentag ist Lückentag. Auf dem Parkplatz. Im Office. In einer Phase der Wiederherstellung von Business-Normalität fühlt sich das wie ein Rückfall in akute Corona-Zeiten an.
Der Brückentag ist das Lieblingskind der Jahresurlaub-Optimierer. Zahl vier, krieg alle fünf. Dem Katholizismus sei Dank! Das läßt den Kiez allerdings kalt bzw. der kocht vor Wut, wenn in den meisten Bundesländern mal wieder frei ist, bloß Berlin is at work.
Feiertage sind ein heilig Ding. Frag mal den Engländer, der kennt nur einen schnöden bank holiday – und der läßt sich schlecht überbrücken. Die Monate Mai und Juni genießen hierzulande nicht umsonst viel Kredit.
500 Milliarden für Europa. Konkret: für die darbenden Südländer der Union. Finanziert von allen Mitgliedern, anteilig. Deutschland als größter Nettozahler müsste den Löwenanteil stemmen. Und an den Finanzmärkten seine Bonität hinhalten.
Eine gigantische quasisozialistische Umverteilung von Steuergeldern aus dem reichen Norden gen ärmeren Süden. Das ist natürlich Quatsch. Das mit dem reichen Norden – zumindest, wenn man es auf Deutschland und seine Bürger bezieht. Das mediane Privatvermögen pro Kopf ist in Italien, Spanien und Frankreich zufällig ca. dreimal so hoch wie hierzulande.
Hups. Das Macron-Merkel-Programm macht also verhältnismäßig wohlhabende noch vermögender bzw. subventioniert den lässigen Auf-Pump-Lifestyle besagter Länder. Damit die lieben französischen Nachbarn weiterhin mit 60 in Rente dürfen. Damit die Leuchtfigur Anne Hidalgo ihre Hauptstadt in einen sicheren Hafen umbauten kann. Damit wir die Italiener weiter Schulden machen lassen. Undsoweiter. Die Engländer sind ja fein raus.
Mich hat das Uniformjäckchen unserer Kanzlerin immer schon an den Style eines gewissen historischen Vorbilds erinnert.
Nur am Model wurde gespart…
Typisch: kaum eine ganze Arbeitswoche im Büro, und schon nimmt die „private“ Schreiberei rapide ab. Nach Marxscher Manier voll entfremdet durch die Büropräsenz und in der Erholungsphase dann ein williges Opfer der Kulturindustrie. Da wird nur der Bildschirm getauscht gegen den Flatscreen, die Wasserspenderplörre gegen die mit Prozenten. Friday I‘m in love, Sonntagabend übellaunig.
Aber halt: nächste Woche ist ja wieder Homeoffice! Eine durchweg angenehme Nebenwirkung der Pandemie. Mehr davon, bitte!
Vor Jahren wollte ich mal von einer New Yorker Kollegin wissen, was den Reiz ausmache, 3/4 des Gehalts in die Miete einer Wohndose in Manhattan zu stecken. „Access“ war die Antwort. Wann auch immer Zugang zu haben zu einem unermesslichen Angebot an Kultur, Gastronomie and so on.
Der Magnet Großstadt läßt auch hierzulande seine Bewohner allerlei Friktionen und Mühen in Kauf nehmen. Da kommt es unweigerlich zu Selbsttäuschungen, mit denen der verbissene Städter den Verlust an Lebensqualität zu kompensieren bzw. camouflieren versucht. Die Zwitscherbox ist so ein Beispiel. Diese traurige Stilisierung eines Vogelhäuschens in Plastik hat einen Sensor, der beim Vorübergehen Vogelgezwitscher aktiviert. 60 qm, 2 Zimmer, Diele und Duschbad mitten im Naturschutzgebiet.
Es wundert wenig, dass es gerade städtische Eliten sind, die zwecks grüner Energiewende Flure und Wälder mit Windrädern (aka Vogelschredder) zupflastern wollen. Die Intaktheit von Kulturlandschaften schert sie nicht, denn sie kennen oft nur noch die affirmative Aneignung von Natur. Tar Beach, Urban Garden, Zwitscherbox. Wie sang schon Anne Clark: „The city, a wasting disease“.